Aus Anlass der Buch-Vernissage von ".Untertan, Hochstapler, ¨Übermensch", einer Karl-May-Biographie von Rüdiger Schaper wurde vom Literaturhaus Zürich ein Karl-May-Shortstory-Wettbewerb ausgeschrieben. Mein Beitrag gehörte zu den drei prämierten Texten und wurde vom Schauspieler Daniel Rohr vorgelesen. Et voilà:
Winnetous bittersüsse Rache
Karl May folgte ich bis ins wildeste Kurdistan, Winnetou liess mich kalt. Was sollte ich als Bub mit einem Buch anfangen, das mit „Lieber Leser, weisst du, was das Wort Greenhorn bedeutet“ anhebt und einem edlen Wilden huldigt, der frühzeitig in die ewigen Jagdründe abberufen wird? Mich dürstete es nach unsterblichen Helden. Ich schwor, diesen Indianer auf ewig zu verschmähen. Als aber winters 1963 im Dorfkino „Winnetou I“ gezeigt wurde, brach ich mein Gelübde. Der Frevel schien mir lässlich, weil hormonell bedingt. Der ölige „Franzmann“ Pierre Brice sorgte als Filmhäuptling dafür, dass es im Saal von Mädchen wimmelte. Keinesfalls zufällig sass vor mir Marianne B., tausendmal schöner wie Marie Versini als des Apachen Leinwandschwester Nscho-tschi. Ich schnupperte an Mariannes pechschwarzem Haar, bis das Licht anging. Tags darauf fragte ich sie coram publico auf der Eisbahn: „Willst du mit mir gehn?“ Sie zischte von unten herauf: „Nein!“ Ich war 14. Wurde von Winnetous bittersüsser Rache skalpiert. Mein Selbstbewusstsein zerfiel zu Staub.
Michael Lang
Diese - bisweilen lebensbefindlichkeitsschwangere - Lyrik entstand kurz vor den Zürcher "Jugendunruhen" und der "Bewegung" 1980, die die Stadtentwicklung bis heute beeinflusst haben. Ein Freund schlug mir 1979 vor, die lose herumliegenden Texte in einer Broschüre zu vereinen. So entstand "In eigener Schreibe". Das Coverblatt zeichnete ein Fotograf aus Paris. Der oben erwähnte Freund (damals Schauspielschüler) organisierte in der bis heute existierenden "Züri-Bar" im Niederdorf eine launige Spontan-Lesung mit von ihm vorgetragenen und ausgewählten Texten.